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Gibt es keine Grenze für das Böse im Menschen? "Der Mann, der lächelte" ein Roman von Henning Mankell.Der nun veröffentlichte Roman "Der
Mann, der lächelte", schrieb Henning Mankell schon im Jahre 1994. Dieser Kriminalroman schließt die Lücke zwischen dem Roman "Die weiße Löwin" (1993) und "Die falsche Fährte" (1995). "Der Mann, der lächelte" knüpft nahtlos an den Kurt Wallander Roman "Die weiße Löwin" an. Wallander hatte innerhalb kurzer Zeit einen Menschen getötet und aktiv dazu beigetragen, daß
ein anderer lebendig verbrannt war. Auch die Verantwortung für eine Frau, die ihr Leben geopfert hatte, als sie seiner Tochter zur Flucht verhalf, konnte er nicht von sich weisen. Schuldgefühle, weil Victor Mabasha, ein
gedungener Mörder, der Nelson Mandela töten sollte, aber Schutz bei Wallander gesucht hatte, getötet worden war. Nun war niemand mehr zu jagen, und auch ihn jagte niemand mehr. Wallander wurde krank geschrieben. Nach
einigen Monaten begannen vieler seiner Kollegen zu glauben, daß er nie wieder kommen würde. Dann und wann, wenn neue Berichte über seine sonderbaren Reisen kreuz und quer von Dänemark bis in die Karibik im
Polizeigebäude von Ystad bekannt wurden, fragte man sich, ob Wallander nicht vorzeitig pensioniert werden müßte. Aber soweit kam es nicht. Er würde zurückkehren, wenn es auch lange dauern sollte. Und
hier beginnt der Roman "Der Mann, der lächelte". Über ein Jahr lang war Kurt Wallander, Kriminalkommissar bei der Polizei in Ystad, krank geschrieben. Während dieser Zeit hatte eine zunehmende Ohnmacht sein
Leben erfüllt und seine Handlungen bestimmt. Wallander, der schwer an der seelischen Last trägt, als wäre er ein Pilger, der sich auf seinen Wanderungen von einem unbekannten Schmerz befreien will, landete immer wieder
in der Ecke mit der Frage, ob es nicht doch am besten wäre, seine Arbeit als Polizist wieder aufzunehmen. Zurückzukehren, den Erinnerungsbildern die Stirn zu bieten und vielleicht eines Tages zu lernen, damit zu leben.
Die einzige realistische Wahl war, wie früher weiterzumachen. Darin hatte er ja auch einen gewissen Sinn gesehen: Die schlimmsten Verbrecher von der Straße zu holen, damit Menschen in etwas größerer Sicherheit lebten.
Das aufzugeben würde nicht nur bedeuten, eine Arbeit zu verlieren, die er einigermaßen beherrschte. Er würde auch etwas beschädigen, was tiefer in ihm ruhte: Das Gefühl, Teil von etwas größerem zu sein, was dem Dasein
Sinn gab. Trotzdem kam er zu dem Entschluß seinen Dienst zu quittieren, nicht mehr in den Polizeidienst zurückzukehren. Da bekommt er Besuch von einem befreundeten Anwalt, Sten Torstensson, dessen Vater
bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Der Sohn glaubt nicht an einen Unfall und bittet Wallander, den Unfall noch einmal zu untersuchen. Wallander lehnt ab, weil sein Entschluß, mit der Polizeiarbeit aufzuhören,
feststeht. Ein paar Wochen später kehrt er nach Ystad zurück. Dort erfährt er, daß Sten Torstensson ermordet wurde. Man fand ihn erschossen in seiner Anwaltskanzlei. Nun fühlt er sich dem Anwalt gegenüber schuldig und
er übernimmt diesen Fall. "Er ahnte, daß sich etwas Großes, Schwerwiegendes und Erschreckendes hinter dem Fall der zwei toten Anwälte verbarg." Bald muß er erkennen, daß die Spur ihn zu einem
großen Wirtschaftsimperium führt. Dessen Besitzer lebt in einem hermetisch abgeriegelten Schloß. Auf diesem Schloß Farnholm wohnt ein Mann, der große Geschäfte macht. Alfred Harderberg. "Er hat viel, was viele
gerne hätten. Wissen, Kenntnisse, Informationen. Das ist mehr Wert als eine gute Banknotendruckerei." Am Anfang der Ermittlungen fällt es ihm schwer, gegen Harderberg zu ermitteln, "den er hatte im loyalen
Glauben an die Integrität der schwedischen Wirtschaft gelebt. Die Männer und Frauen der heimischen Großunternehmen waren die Grundfesten des Aufschwungs. Die Exportindustrie als Garant des gesellschaftlichen
Wohlstands konnte einfach nicht in Frage gestellt werden. Am wenigsten jetzt, wo der Wohlstandsbau schwankte und die Zwischendecken voller ausgehungerter Ameisen waren. Die Grundfesten mußten gegen Angriffe, egal aus
welcher Richtung, verteidigt werden." Aber bald muß er erkennen, daß Harderberg, dessen Konzern auf der ganzen Welt ("eigentlich betrachtete ich eine Weltkarte. Die nationalen Grenzen sind durch die ständig
wechselnden Einflußsphären verschiedener Unternehmen ersetzt, deren finanzielle Macht größer ist als die vieler Volkswirtschaften") vertreten ist, nicht der Saubermann ist, wie er sich selbst in der schwedischen
Öffentlichkeit darstellt. Wallander erkennt, daß Schweden ein Kreuzweg und Treffpunkt ist, wo alles denkbar ist. Und so nimmt er die Jagd auf. "in jedem Polizist steckt ein Jäger. Selten oder
nie wird ins Horn gestoßen, wenn die Jagd beginnt. Und doch fangen wir bisweilen die Füchse, denen wir nachstellen. Ohne uns wäre der schwedische Hühnerhof seit langem ausgestorben und leer, nur blutige Federn würden
noch im Herbstwind herumtreiben". In diesem Kriminalroman geht es zwar auch um die Aufklärung zweier Morde aber der Hintergrund ist ein krimineller Unternehmer, der seinen Sinn im Leben darin sieht
zu kaufen und zu verkaufen. Harderberg liebt es, Geschäfte zu machen, einen Konkurrenten zu besiegen, seinen Reichtum zu vermehren und sich keine Grenzen setzen zu müssen. Henning Mankell sagte in einem Interview:
"ich benutze ein Verbrechen, um in seinem Spiegel die Gesellschaft zu beschreiben. In dieser Hinsicht kann man möglicherweise behaupten, daß mein Ausgangspunkt und der eines Polizisten einiges gemeinsam
haben". Im gleichen Interview beschreibt er seinen Kommissar Wallander: "Aber das Wichtige ist nicht der Überblick, sondern die Erkenntnis. Wallander geht Probleme an, indem er einen Schritt
zur Seite tritt. Er weiß, daß er etwas gesehen hat, die Frage ist nur, was. Die große Herausforderung für mich als Schriftsteller besteht darin, die Dramatik auf dieser inneren Ebene spielen zu lassen. Mein Held ist
kein Spaßvogel. Er ist ein mürrischer Protestant mittleren Alters. Er nimmt das Motiv in seinem Gehirn auf, lässt die Rollos herunter und versucht im Halbdunkel zu erkennen, wie alles zusammenhängt. Zu einem guten
Polizisten macht ihn, daß er weiß, er muß verstehen, wie die Gesellschaft sich verändert, um ein Verbrechen aufzuklären." "Wallander ist ein Zweifler. Er denkt ständig darüber nach, wie stabil unsere
Gesellschaft ist. Kann die Demokratie überleben, wenn der Rechtsstaat nicht intakt ist?" "Trotz allem war Schweden noch ein Rechtsstaat, wenn dieser auch immer schneller ausgehöhlt und geschwächt wurde. Auch
sein Schweigen war Teil dieses Prozesses. Daß er so lange die Augen verschlossen hatte, würde ein fortgesetztes Schweigen nicht entschuldigen." Diesem Schweigen und Wegsehen, was in vielen Demokratien ein
Grundproblem ist, auch in Deutschland, möchte Mankell mit seinen Romanen entgegenwirken. Einer seiner schwedischen Verlag schrieb zu seinen Romanen: "Der Unterstrom in Henning Mankells Büchern handelt vom
Kampf um ein besseres Leben. Er zeigt, daß der Klassenbegriff immer noch Gültigkeit besitzt. Die Idylle ist niemals gegenwärtig." Klarheit, schreibt der Autor Fioretos über Mankell, ist der Leitstern aller Dinge in
Mankells Welt. Seine Bücher sind darauf aus zu beeinflussen. Ihn treibt der Wunsch nach Veränderung. Zum Abschluß noch einmal Mankell über Wallander: "Was mich interessiert, ist die Denkweise
des Polizisten. Ich bin nicht im geringsten daran interessiert, realistisch zu beschreiben, wie die Polizei arbeitet. In meinen Büchern geht Wallander nur herum und denkt. Die Herausforderung besteht darin, dies so
spannend zu schildern, daß der Leser weiterblättert. Das ist mir offensichtlich gelungen." "
Der Mann, der lächelte"Ein Roman von Henning Mankell Zsolnay Verlag 2001 DM 39.80 Aus dem Schwedischen von Erik Gloßmann 21.01.2001 |